Spielkultur vor bunten Jubelsoldaten

Beim Afrika-Cup in Ägypten werden vor allem die Weltmeisterschaftsteilnehmer überaus kritisch beäugt

KAIRO taz ■ Um Kairo von seiner entspannten Seite kennen zu lernen, sollte man sich ein Fußballspiel lang Zeit nehmen, länger wird einem dieses Vergnügen selten vergönnt sein. Denn wenn die ägyptische Nationalmannschaft ihren Spielen beim Afrika-Cup nachgeht, ist die größte, hektischste und lauteste afrikanische Stadt immerhin halbwegs erträglich. Die unnatürliche Entspannung der versmogten Metropole zeigt, wie fußballverrückt die Ägypter sind – leider nur bei den Auftritten des eigenen Teams.

So saßen beim 0:0 gegen Marokko tausende Besucher auf den schmalen Stadionmauern des gerade für 17 Millionen Euro renovierten International Stadiums, um das Spiel ihres Teams miterleben zu können. Möglich gemacht wurden diese Investitionen in die Infrastruktur vor allem durch das ägyptische Verteidigungsministerium. „Das Ganze hätte hier zu einer katastrophalen Präsentation vor den Augen der Welt werden können“, sagt der ägyptische Sportkommentator Alaa Sadek. „Das Verteidigungsministerium kam gerade rechtzeitig, um unsere Ehre und unser Image zu retten.“

Als Dank dürfen die Soldaten des Landes nun bei allen weniger gut besuchten Spielen – eigentlich allen, außer denen des Gastgebers – als bunt verkleidete Jubelmasse in das Stadion. „Wir wollen keine leeren Stadien präsentieren“, sagt Viken Djizmedjian, Medienchef des lokalen Organisationskomitees.

Sportlich betrachtet gibt es wenig Grund für schlecht besuchte Spiele. Nachdem alle Teams ihre ersten Spiele absolviert haben, können vorverurteilende Kommentare über zu aggressives Spiel, geringes taktisches Verständnis sowie abenteuerliche Schiedsrichterleistungen als vergänglich betrachtet werden. „Die Temperaturen sind nicht zu heiß und die Plätze sind in einem guten Zustand“, beschreibt Mustapha Fahmy, Generalsekretär des afrikanischen Fußballverbandes. Selbst schwächer eingestufte Teams wie die Demokratische Republik Kongo halten durch beständig vorgetragenes Pass- und Kombinationsspiel mit und sorgen nicht nur wegen des Auftakterfolges gegen WM-Debütant Togo für Überraschungen.

„Auf den WM-Qualifikanten lastet ein hoher Druck, den höheren Druck haben aber die zu verkraften, die sich nicht qualifiziert haben“, findet Fahmy. Bestätigt wird dieser Eindruck durch den sehr starken Auftritt Kameruns beim 3:1 gegen die in Deutschland vertretenen Angolaner sowie den Offensiv-Problemen, die Ghana bei der 0:1-Niederlage gegen Nigeria offenbarte.

Gerade die Auftritte dieser drei WM-Teilnehmer sorgten bei internationalen Beobachtern trotz des in der Breite gestiegenen fußballerischen Niveaus bei allen teilnehmenden Nationen für Ernüchterung.

Jo Bonfrére, ehemaliger Trainer Nigerias und Klubtrainer in Ägypten, sieht Afrika nicht von den besten Teams in Deutschland repräsentiert. „Wenn wir sehen, wie Togo und auch Ghana gespielt haben, muss man sich schon fragen, weshalb es Teams wie Kamerun, Senegal oder auch Nigeria nicht geschafft haben.“ Zwar führt die Qualifikation der bisher weniger beachteten Länder im afrikanischen Fußball zu einer spielerischen Entwicklung unterhalb der Spitzenteams, Überraschungen von diesen Mannschaften sind in Deutschland wohl kaum zu erwarten.

Dass ein frühes Ausscheiden im Afrika-Cup die Arbeitsplätze der WM-Trainer gefährden könnte, sorgt beim Coach Ghanas, Ratomir Dujkovic, dabei nicht für Unruhe. „Ich mache mir keine Sorgen, wer sich Sorgen machen muss, das ist Sven-Göran Eriksson, er hat ein Problem, nicht ich.“ Dass sich dies nach den letzten Ergebnissen schnell ändern könnte, ist aufgrund der hohen Erwartungen in einem Land wie Ghana absehbar. „Dadurch, dass wir uns für die WM qualifiziert haben, erwarten die Leute eigentlich den Afrika-Pokal von uns“, so der in Wolfsburg spielende Hans Sarpei. „Einen Kredit haben wir durch die Qualifikation auf jeden Fall nicht, eher im Gegenteil.“

OKE GÖTTLICH